Populismus gibt sich anti-elitär und er ist immer anti-pluralistisch. Das populus, das Volk, in dessen Namen er sich aufschwingt zu sprechen, ist im Diskurs des Populismus immer nur ein Teil der Bevölkerung. Exklusion ist damit sein konstitutives Geschäft. So weit, so scharfsinnig sind die einleitenden Unterscheidungen von Jan-Werner Müller. Neben den Populismus- Konzeptionen geht es auch um die Praxis der PopulistInnen. Und hier scheitert das Buch, weil es zwischen Linksund Rechtspopulismus nicht grundlegend unterscheiden will. Vor dem normativen Hintergrund der liberalen Demokratie rutschen dann Podemos und Berlusconi, der linke López Obrador und der rechtsextreme Trump in eins. Dass PopulistInnen für ihre Klientel in die Verfassung eingreifen, mag ihnen gemeinsam sein. Ob dabei aber (wie in Venezuela unter Chávez) Minderheitenrechte verankert oder Zugänge zur Staatsbürgerschaft eingeschränkt werden (wie es die FPÖ plant), ist ein fundamentaler Unterschied. Der sollte ebenso radikal ins Gewicht fallen wie die Frage, ob (wie in Bolivien unter Morales) Ressourcen verstaatlicht oder (wie in Italien unter Berlusconi) staatliche Betriebe privatisiert werden. Selbst Ruth Wodak schlingert anfangs in ihrer überzeugenden Studie zu den Mikropolitiken des Rechtspopulismus, wenn sie von der „linkspopulistischen Occupy-Bewegung“ spricht. Dann aber unterscheidet sie klar. Linker Populismus sei meist internationalistisch. Rechtspopulismus hingegen vertrete „nationalistischchauvinistische Ansichten, gepaart mit einer nativistischen Körperpolitik“. Antisemitismus und „Werte des traditionellen Patriarchats“ macht sie als dessen zentrale Inhalte aus. Die vielen kleinteiligen Medienanalysen machen das Werk außerdem zu einem hilfreichen Handbuch. Joachim Bischoff, Elisabeth Gauthier und Bernhard Müller weisen zudem darauf hin, dass wir es bei der neuen Rechten mit AkteurInnen zu tun haben, „die klar die Frage der kulturellen und politischen Hegemonie stellen.“ Ihr Buch vergleicht verschiedene rechtspopulistische Bewegungen in Europa und deren Kampf gegen den „Kosmopolitismus“. Die AutorInnen empfehlen dagegen „zivilgesellschaftliche Aktionen der Solidarität und Kampf gegen Diskriminierungen sowie die politische Auseinandersetzung“. Durch überzeugende Einzelstudien zu europäischen Rechtspopulismen besticht auch der Band von Ernst Hillebrand. Zwar interpretiert der Herausgeber die wachsende Unterstützung der Rechten plausibel als „politische[n] Ausdruck von Verunsicherungsgefühlen“ (Hillebrand), meint aber auch, der Rechtspopulismus sei, anders als der Faschismus, „nicht antidemokratisch“. Robert Misik empfiehlt eine „gute, progressive Politik“ als einziges Mittel gegen das Gefühl, nicht mehr repräsentiert und zunehmender Verunsicherung ausgesetzt zu sein. In die Geschichte antifaschistischer Strategien führt das Buch aus der Reihe theorie.org hervorragend ein. Von der Antifaschistischen Aktion von 1932 bis hin zu den Spaltungen der Antifa zwischen Bewegungslinken, Antideutschen und Antinationalen bietet der Band einen schönen Überblick über die Geschichte der Antifa-Bewegungen. Jener Teil der Bewegung, der ab den 2000er Jahren demnach statt auf Textarbeit-als-Praxis auch auf „Intervention und Bündnisarbeit“ setzte, wird wohl auch in den kommenden Jahren wieder an Bedeutung gewinnen.
Jens Kastner ist Soziologe und Kunsthistoriker und unterrichtet an der Akademie der bildenden Künste Wien.
Literatur
Joachim Bischoff/ Elisabeth Gauthier/ Bernhard Müller/ Bernhard Sander: Europas Rechte: Das Konzept des ‚modernisierten’ Rechtspopulismus. Eine Flugschrift. Hamburg 2015 (VSA Verlag)
Ernst Hillebrand (Hg.): Rechtspopulismus in Europa: Gefahr für die Demokratie? Bonn 2015 (J.H.Dietz Verlag)
Mirja Keller/ Lena Kögler/ Morit Krawinkel/ Jan Schlemermeyer: Antifa. Geschichte und Organisierung. Reihe theorie.org, 2. Aufl. Stuttgart 2013 (Schmetterling Verlag).
Jan-Werner Müller: Was ist Populismus? Ein Essay. Berlin 2016 (Suhrkamp Verlag).
Ruth Wodak: Politik mit der Angst. Zur Wirkung rechtspopulistischer Diskurse. Wien/Hamburg 2016 (Edition Konturen).