1983 las ein Wiener im Wiener. Ersterer war ich, zweiterer dieses Zeitgeistmagazin. Darin ein Artikel über die Gründung der ALÖ, Alternativen Liste Österreich, einer ökolinken Partei, initiiert u.a. von Peter Pilz. Nach ihrem Scheitern bei der Nationalratswahl fusionierte die ALÖ – unter Flügelkämpfen und Intermezzi – mit den etwas erfolgreicheren bürgerlichen Vereinten Grünen Österreichs zur Partei Die Grünen – Die Grüne Alternative. 1983 aber galt die Alternative Liste als cool genug, dass Der Wiener Wortspenden sympathisierender Szenegrößen einholte, etwa von den Wiener „Rockprofessoren“ (Vorarlbergs „Rockprofessor“ Reinhold „Video Life“ Bilgeri war im Alternativkontext irrelevant): Stefan Weber, der 2018 verstorbene Sänger der Demo-Schlusskundgebungs-bewährten Schockrocker*innen Drahdiwaberl, in Zivil Zeichenlehrer, meinte, durch die ALÖ könne er nun endlich was anderes als die KPÖ wählen. Peter Weibel, Sänger der Artrockband Hotel Morphila Orchester und künstlerisch mit „Video Life“ befasst, etwa an der „Medienklasse“ der Angewandten (wo, so hieß es, Bilder auf Computern gemacht wurden, ganz ohne weißen Arbeitsmantel!), buchstabierte ALÖ als „Alle lieben Österreich“. Er meinte es nicht so. Jedenfalls war Alternativ ein Thema. (Als mein Zeichenlehrer – nicht Weber – mit mir in Weibels Sprechstunde ging, ob nicht der Drehli später bei ihm studieren könnte, meinte Weibel bei Ansicht meiner in Neu- Wild-Imitat-Acryl strahlenden Mappe, ich solle lieber zeichnen lernen. Zur Strafe ging ich Aktzeichnen und machte Weibels Idiom bei Schulreferaten nach. Reenactment heißt das heute.) 1983 garnierte mein Chemielehrer an einer Wiener Schnöselkaderschmiede seinen Unterricht mit Schmähungen gegen die Technologiekritik der Alter-naiven, wie er sie nannte. Dazu sah er sich offenbar berufen, als well paid scientist mit weißem Arbeitsmantel (und Hobby-Zauberer, u.a. Assistent des in Österreich weltberühmten Magic Christian). Als Chemiker war er auch für Verbindungen zuständig. Für Spaltungen eher sein Kollege im Fach Physik – und die frühe Grün-Alternativ-Bewegung. 1983 erschien auf Jello Biafras Hardcore-Punk-Label Alternative Tentacles – mit Ostblock-Verspätung – auch in Wien das zweite Dead Kennedys-Album Plastic Surgery Disaster. Ich darbte mit Grippe im Bett und brauchte dringend neue Platten, also musste mein Vater mir diese LP nach der Arbeit in der Sparkassa aus dem Plattengeschäft Why Not in der Otto Bauer-Gasse holen. Er fühlte sich dort unwohl. Auch das LPCover war nicht seins. Heute sind die Dead Kennedys längst gespalten und treten zum Abcashen ohne Jello Biafra auf (2019 auch in Wien). Jello ist u.a. bei den Grünen (in den USA). Die Ösi-Grünen haben sich wieder gespalten; Peter Pilz hat mitgewirkt. Als Alternative geriert sich längst die AfD, durch einige Spaltungen ab 2015 entstanden aus einem xenophoben Steuersparverein. Die österreichischen Rechtsautoritären – auch sie entstanden aus Spaltungen zwischen Altnazis und Normalnationalen – haben die Blütezeit ihrer Spaltungen leider hinter sich: FPÖ-Flügelkämpfe, das BZÖ, Team Stronach, alles verfeindete Alternativen … lange her. Heute ist Österreichs antidemokratische Rechte nicht gespalten, sondern in zwei Parteien aufgeteilt, die nach der nächsten Wahl wieder koalieren könnten.
Drehli Robnik schreibt zu Film, Politik, Theorie, Rancière, Kontrollhorrorkino, X-Men und Kracauers DemoKRACy.