Die Sache mit dem Wert ist ziemlich mysteriös. Wie er entsteht, wie er stabilisiert wird, wer ihn abgreift und wie er verschwindet, dazu gibt es eine ganze Reihe von Theorien. Eine der wichtigsten davon ist sicherlich die von Karl Marx, der zunächst einmal feststellte, dass es die Arbeit ist, die den Wert schafft. Die gleich daran anschließende Frage, wieso dann andere als diejenigen, die ihn erarbeitet haben, den Wert abschöpfen, war es, die Marx – und viele nach ihm – nicht nur analytisch herausforderte, sondern auch politisch empörte.

Die Frage lässt sich selbstverständlich auch an Arbeit und Wertproduktion im Kunstfeld stellen. Und das obwohl die hier verrichtete Arbeit keinen direkten Nutzen produziert. Oder gerade deshalb, denn es war eine der paradoxen Herausforderungen, die das Bürgertum der Kunst seit dem 19. Jahrhundert auferlegt hatte, zugleich wertvoll und nicht von direktem Nutzen zu sein. Sie wurde mit symbolischem oder auch ästhetisch genanntem Wert aufgeladen. Eine politisch gesehen zweischneidige Sache: Denn einerseits diente dessen Aneignung vor allem den bürgerlichen Aneigner*innen. Er ­bezeugte ihre Bildungsbeflissenheit, stellte ihr kulturelles ­Kapital zur Schau und wertete diejenigen ab, die den sym­bolischen Wert bei aller Mühe nicht erkennen konnten oder wollten (und er tut all dies bis heute). Andererseits: Selbst Marxist*innen wie etwa der spanisch-mexikanische Philosoph Adolfo Sánchez Vázquez (1915–2011) sprachen der künstlerischen Arbeit nicht nur einen „ästhetischen Wert“ zu, sondern setzen auch ihre emanzipatorischen Hoffnungen in ihn. Denn der „ästhetische Wert“ verkörpere, so Sánchez Vázquez paradigmatisch, auch soziale Beziehungen und entziehe sich dadurch doch zumindest potenziell der Kommodifizierung der Kunst.

Die Ökonomin Mariana Mazzucato hat aufgezeigt, wie entscheidend die Diskurse um den Wert überhaupt dessen Entstehen und den Umgang mit ihm beeinflussen. Wertabschöpfung wird gar nicht oder interessegeleitet falsch diskutiert: Während die Wucherer, die den Preis weit über den Wert hinaustreiben, deshalb unbeliebt sind und schon in Dantes Inferno ihren Platz direkt neben den Gewaltverbrechern und Häretiker*innen im siebten Höllenkreis haben – also dem „heißeren Teil der Hölle“, wie Mazzucato lakonisch kommentiert –, wird die Normalabschöpfung kaum skandalisiert. Wie es um den symbolischen Wert steht, der im Kunstfeld dem ökonomischen stets vorausgeht und zwischen Exklusivitäts- und Emanzipationsfunktion changiert, bleibt ohnehin oft im Unklaren. Die vorliegende Ausgabe des Bildpunkt soll mit dem Sturz ins Diskursgetümmel – wie immer an den Schnittstellen von Kunstproduktion, Theorie und emanzipatorischem Aktivismus – ein wenig zur Klärung dieser Frage beitragen.

Dies ist die erste Ausgabe des Bildpunkt seit 2005, in dem die künstlerischen Arbeiten nicht dem Themenschwerpunkt zu­geordnet sind. Grund dafür ist das 65jährige Jubiläum der IG Bildende Kunst, das auch außerhalb dieses Heftes – sobald es die Pandemiesituation erlaubt – gebührend gefeiert wird. Auch der kulturpolitische Innenteil ist dieses Mal dem Jubiläum gewidmet.

Jens Kastner, koordinierender Redakteur