Welche Kunst- und Kulturpolitik kommt auf uns zu? Im Vorfeld der Nationalratswahl lud der Kulturrat Österreich am 9. September zur Diskussion ins Wiener Depot. Airan Berg (Jetzt), Eva Blimlinger (Grüne), Henrike Brandstötter (Neos), Thomas Drozda (SPÖ) und Maria Großbauer (ÖVP) stellten ihre kulturpolitischen Perspektiven vor und antworteten auf unsere Fragen zu drängenden Problemen in Kunst, Kultur und Medien. [1] Mit Blick auf die bisherige Politik fallen die Antworten teils überraschend aus:
Jährliche Valorisierung der Kunstförderungen? Seit Jahrzehnten ein Problem: der inflationsbedingte Wertverlust von Förderungen. Hier kündigen Airan Berg, Henrike Brandstötter und Thomas Drozda ihre praktische Unterstützung an. Eva Blimlinger (die jedenfalls bei den kleinen Förderungen damit beginnen möchte) und Maria Großbauer (die den Konflikt zwischen großen Häusern und der freien Szene beklagt) bleiben ohne konkrete Zusage, stehen dem Anliegen aber auch nicht ablehnend gegenüber.
Fair Pay? Massive Unterfinanzierung des Kunst- und Kulturbereichs und die fehlende Valorisierung der Förderungen sind mitverantwortlich dafür, dass faire Honorare und Gehälter kaum zu bezahlen sind. „Das Renommee der vielzitierten Kulturnation wird auf dem Rücken der Kulturschaffenden ausgetragen“, so Yvonne Gimpel (Kulturrat, IG Kultur). Daher unsere Frage: Sind Sie bereit, sich für Fair Pay mittels Budgeterhöhung – bei einer zumindest gleichbleibenden Förderquote – einzusetzen? Mit Ausnahme von Maria Großbauer (ÖVP), unterstützen dies erfreulicherweise alle auf dem Podium.
Ausweitung im KSVF? Eine der dringendsten Forderungen an das Künstler_innen-Sozialversicherungsfondsgesetz (K-SVFG): die Erweiterung des Bezieher_innenkreises. Grundlage für den Zuschuss muss die Arbeitssituation als Selbstständige_r im Kunst-, Kultur- und Medienbereich sein, nicht eine enge Definition dessen, wer Künstler_in ist. Auch hier zeigt sich eine erfreuliche Unterstützung: Airan Berg, Eva Blimlinger, Henrike Brandstötter und Thomas Drozda stehen hinter diesem Anliegen. Maria Großbauer bleibt unentschlossen.
Gesprächsbereitschaft mit Interessenvertretungen? Bei keiner Frage wurde die Unterstützung so einhellig präsentiert. Umdenken auch in der ÖVP? Das wäre sehr zu wünschen, denn der Kunstminister der letzten gewählten Regierung, Gernot Blümel, hat trotz vielfacher Anfragen keine Zeit für ein Arbeitsgespräch mit Interessenvertretungen gefunden.
Wir werden die politische Praxis, die diesen Ankündigungen folgen wird, sehr genau beobachten.
Der Kulturrat Österreich ist der Zusammenschluss der Interessenvertretungen von Kunst-, Kultur- und Medienschaffenden als Plattform für gemeinsame kulturpolitische Anliegen und Ziele.
Vielen Dank an Gerhard Kettler (Radio Orange und IG Kultur Wien) und Patrik Kwasi (IG Kultur Österreich) für die Audio- bzw. Videodokumentation der Veranstaltung.
[1] Warum waren nur fünf der acht Parteien, die österreichweit zur Wahl antraten, am Podium vertreten? Die KPÖ hat sich zu spät zurückgemeldet, beim Wandel wurden wir schlicht von der bundesweiten Kandidatur überrascht. Da das Podium ohnedies schon groß war, haben wir entschieden, es nicht noch einmal zu öffnen. Die FPÖ haben wir nicht angefragt, weil wir einer rechtsextremen Partei kein Podium bieten wollen.