Wie lassen sich Elternschaft und Künstler_insein gut unter einen Hut bringen? Dieser Frage geht die IG Bildende Kunst seit Herbst 2013 nach – in Workshops, Vernetzungstreffen und Textbeiträgen im Bildpunkt, der Zeitschrift der IG Bildende Kunst. Von Mai bis Juli 2016 haben wir diese Auseinandersetzung in einer Interviewserie fortgesetzt. Die Gespräche führte Saskya Rudigier.
Haben Ihre Kinder Ihre berufliche Situation stark verändert?
Veronika Dirnhofer: Die Kinder haben den Rhythmus vorgegeben. Ich würde am liebsten zehn Stunden im Atelier sein. Mit den Kindern hat sich das klarerweise sehr stark geändert und anfangs auf ein paar Stunden zwischendurch reduziert. Ich male ja sehr große Bilder auf Öl, das war schon schwierig. Teilweise habe ich auch die Arbeitsweise verändert und angefangen mit kleineren Formaten zu arbeiten. Aber mit der Zeit normalisiert sich das auch wieder, wie bei allen anderen Berufen auch.
Meine Eltern hatten mich anfangs auch finanziell unterstützt, damit ich als junge Künstlerin mit Kind dabei bleibe und weitermachen kann. Positiv war auch der Job auf der Akademie. Den wollte ich nicht aufgeben, weil er mich im Kunstumfeld sein hat lassen und ich dadurch ein Einkommen hatte.
Wir haben einen Raum für die Kids okkupiert!
Gab es eine klare Entscheidung für Kinder und Kunst?
VD: Für mich war es klar, eigene Kinder zu haben. Ich mag Kinder wahnsinnig gern, ich hab eine Freude an Kinderzeichnungen und auch das gemeinsame Arbeiten mit Kindern interessiert mich. Aber ich weiß schon auch, dass die Karriere grundsätzlich anders verlaufen könnte, wenn mehr Zeit dafür investiert werden kann.
Aber was einem am Ende des Lebens „mehr“ bringt, muss jede_r selbst entscheiden.
Ich wusste immer, die Kunst ist ein großer Teil meines Lebens. Genauso wie ich Kinder und Familie haben wollte, wollte ich auch Kunst machen.
Sie haben die Kindergruppe Kakadu auf der Akademie mitbegründet…
VD: Gemeinsam mit zwei Kolleginnen, u.a. einer Studentin aus der Architektur, und später war auch Elisabeth von Samsonow mit dabei. Zu viert haben wir einen Raum okkupiert und einen polnischen Kinderbetreuer engagiert. Ich habe meine Tochter jeden Tag mitgenommen und das hat gut funktioniert.
Ich war zu dieser Zeit auch im ersten Arbeitskreis für Gleichbehandlungsfragen tätig, den gab es auch erst seit ein paar Jahren. Das Verhältnis von Frauen und Männern war noch nicht so ausgeglichen wie jetzt. Lehrende waren hauptsächlich Künstler – und Kinder, die waren draußen, aber sicher nicht in der Akademie.
Ich hatte Panik, den Anschluss zu verpassen!
Haben Sie die Erfahrung gemacht, als Künstlerin und Mutter anderes bewertet zu werden?
VD: Nicht direkt. Aber als ich meine erste Tochter bekommen habe, war ich noch nicht mal dreißig Jahre alt und ich hatte schon stark den Eindruck, dass mir vermittelt wird: „Du hast dich für etwas anderes entschieden, mit dir ist nicht mehr so schnell zu rechnen!“ Es war Ende der 1990er nicht so selbstverständlich wie heutzutage, dass beides möglich ist.
Ich war gar nicht in Karenz, nur in Mutterschutz, weil ich auch die totale Panik hatte, den Anschluss zu verpassen. Ich bin mit dem ganz kleinen Baby aufs Land nach Niederösterreich gezogen. Da wollte ich nicht auch noch den Anschluss an die Arbeit verlieren und habe auch immer sehr darauf geschaut, dass ich mir diesen Raum erkämpfe, trotz Kind. Dass ich sowohl auf der Akademie arbeite, als auch Zeit im Atelier verbringe, selbst wenn es spätnachts war. Das ging schon auch stark an meine Grenzen und an Beziehungsgrenzen.
Fremdbetreuung ohne schlechtes Gewissen!
Wir waren Ihre Auslanderfahrungen als Künstlerin und Mutter?
VD: Meine jüngere Tochter war dreieinhalb Jahre als ich in Chicago war. Da habe ich mich entschlossen, alle zu Hause beim Kindesvater mit Au-Pair-Mädchen zu lassen. Das war richtig super! Ich hatte so viel gearbeitet wie schon lange nicht, und es war unfassbar, wie viel ich weitergebracht hatte.
Was könnte sich die Situation von Müttern, die Künstlerinnen sind, verbessern?
Der Stellenwert der Fremdbetreuung muss ein anderer werden. Ich habe eine Bekannte, die lange in Frankreich lebte, wo ganz klar ist, dass Kinder schon sehr jung in Kindergruppen sind und eine flächendeckende Versorgung an guter Kinderbetreuung gewährleistet ist. Meine Kinder wurden viel fremdbetreut. Ich musste damals immer mit einer Leihoma arbeiten, denn in Niederösterreich waren die Kindergruppen erst für Kinder ab drei Jahren. Das hat mich auch einiges an Geld gekostet, aber ich konnte dort sonst nicht arbeiten. Und wenn ich an der Akademie war, konnte ich meine Tochter in die Kindergruppe dort geben.
Es muss gesellschaftlich klar sein, dass Nachmittagsbetreuung normal und in Ordnung ist. Ich weiß, dass ich ein sehr schlechtes Gewissen gehabt habe, wenn ich mein Kind bei der Leihoma gelassen habe, und es hat mich wahnsinnig beschäftig und auch Stunden beim Psychiater gekostet, ob das eh’ in Ordnung ist, so zu handeln. Ich glaube, das ist eine Gesellschaftsdebatte. Und gerade wieder gibt es eine Diskussion gegen Ganztagesvolksschulen. Aber gerade diese Schulen sind wichtig, auch für derzeitige Integrationsdebatten.
Solidarisch sein!
Ich bin schon auch sehr glücklich, dass meine Kinder groß sind und es halbwegs gut gegangen ist. Wichtig ist, dass man als Paar solidarisch ist, wenn man ein kleines Kind hat. Gerade unter Künstler_innenpaaren ist man extrem „geizig“ mit seiner „freien“ Zeit. Nach der Geburt eines Kindes ist kein Tag mehr so, wie er vorher war. Trotzdem empfehle ich sehr, die Zeit auch zu genießen, die Kinder werden in jedem Fall größer.
Veronika Dirnhofer ist Malerin und seit 1994 Lehrende an der Akademie der bildenden Künste Wien. Sie wohnt in Niederösterreich und hat zwei Kinder (18 und 13 Jahre).
Das Interview führte Saskya Rudigier im Mai 2016. Saskya Rudigier arbeitet mit Text, Bild, Abos und Zahlen. Gerade organisiert sie auch das Kunst- und Kulturwochenende Leise Art Festival: unerhört unverstärkt für Familien und Freund_innen.