Wir begrüßen die Ausweitung des Bezieher_innenkreises beim Härtefall-Fonds in der Wirtschaftskammer (WKO) und die Einrichtung des Covid-19-Fonds im Künstler_innensozialversicherungsfonds (KSVF) als zusätzliches Sicherungsnetz für Künstler_innen und Kulturvermittler_innen. Zu beiden Fonds haben wir in Bezug auf eine schnelle Bearbeitung von Anträgen auf Soforthilfe bereits erste positive Rückmeldungen erhalten, aber auch Kritik an Ausschlüssen und Regelungen. Aktuell ereilen uns klarerweise auch viele Sorgen von Künstler_innen hinsichtlich ihrer Existenzsicherung in den nächsten Wochen und Monaten.
Wir plädieren für Nachbesserungen bei beiden Fonds – mit Augenmerk auf Aspekte typischer Erwerbsrealitäten von Künstler_innen
Mit der Ausweitung des Bezieher_innenkreises im Härtefall-Fonds der WKO und der aktuell anstehenden Ausgestaltung der sogenannten „Phase 2“ der Unterstützungsleistungen ergeben sich wichtige Gestaltungsspielräume: Um den vielseitigen Erwerbsrealitäten von Künstler_innen gerecht zu werden, muss der Covid-19-Fonds im KSVF ein Unterstützungsinstrument sein, das entsprechend vielseitige Möglichkeiten zur Abfederung von Einnahmenausfällen bereit hält. Wir plädieren dringend dafür, von dem Ansinnen, den Covid-19-Fonds zwingend im Gleichklang mit dem Härtefallfonds zu gestalten, abzukehren. Der Covid-19-Fonds sollte stattdessen eine wertvolle Ergänzung mit Bedacht auf berufstypische Spezifika darstellen – für alle Künstler_innen und Kulturvermittler_innen, die weiterhin vom Härtefallfonds ausgeschlossen sind, sowie für diejenigen, die darüber hinausgehende finanzielle Unterstützung benötigen, wenn die Beträge nicht ausreichen sollten, um die Lebenshaltungskosten und die laufenden Betriebsausgaben (z.B. Atelierkosten) zu decken.
Soforthilfe erhöhen
Bereits die ersten Maßnahmen gegen die Pandemie haben mit der Einschränkung von Veranstaltungen ab 10. März den Kunst- und Kulturbereich massiv betroffen. Seither sind gut drei Wochen vergangen. Eine Soforthilfe von 500 Euro ist denkbar niedrig angesetzt – gerade für Selbständige mit kleinsten Einkommen, gleichgültig welcher Fonds zuständig ist. Eine Differenzierung entlang der 6.000-Euro-Einkommensgrenze ist nicht nachvollziehbar.
Einkommensteuerbescheid nicht als einziger Referenzpunkt
Das mittlere Jahreseinkommen von bildenden Künstler_innen lag laut jüngster Studie zur sozialen Lage von Künstler_innen und Kulturvermittler_innen (L&R Research, 2018) bei 11.000 Euro. Das bedeutet, die Hälfte der bildenden Künstler_innen in Österreich hat Einkünfte unter der Einkommensteuergrenze. Somit gibt es vielfach auch keinen Einkommensteuerbescheid. Doch darüber entscheiden Künstler_innen nicht unbedingt selbst: Wird bei der Aufnahme der selbständigen Tätigkeit dem Finanzamt eine Gewinnprognose mittgeteilt, die fernab einer Einkommensteuerpflicht liegt, kann das zuständige Finanzamt entscheiden, keine Steuernummer zu vergeben. In der Folge ist keine Steuererklärung erforderlich, kein Einkommensteuerbescheid möglich. Nun aber Selbständige ohne Steuerbescheid bei der Höhe der Unterstützung automatisch finanziell schlechter zu stellen, ist nicht gerechtfertigt. Für eine einkommensabhängige Unterstützung ist zumindest mehr Flexibilität angebracht. Auch eine Einnahmen-Ausgaben-Rechnung muss als Grundlage möglich sein.
Einkommensteuerbefreite Stipendien und Preise berücksichtigen
Die finanziellen Unterstützungen aus dem Härtefall-Fonds sind einkommensabhängig, der Covid-19-Fonds im KSVF übernimmt diese Systematik, Grundlage ist der jüngste Einkommensteuerbescheid. Einkommensteuerbefreite Zuwendungen (Stipendien, Preise etc.) sind jedoch eine relevante Größe in der Existenzsicherung von Kunst- und Kulturschaffenden. Auch diese müssen nun über den Einkommensteuerbescheid hinaus als Bemessungsgrundlage Berücksichtigung finden. Diese wichtige steuerliche Erleichterung darf Künstler_innen jetzt nicht zum Nachteil werden. Auch hier kann auf Erfahrung im KSVF zurückgegriffen werden: Der KSVF erkennt bei den Zuschüssen zur Sozialversicherung einkommensteuerbefreite Stipendien und Preise zum Erreichen der erforderlichen Mindestgrenze (als Voraussetzung für einen Zuschuss) an. Diese Praxis, steuerbefreite Zuwendungen ergänzend zu den Einkünften zu berücksichtigen, ist unbedingt auch für den Härtefall-Fonds und den Covid-19-Fonds zu übernehmen.
Einkommensschwankungen gerecht werden
Erhebliche Einkommensschwankungen sind geradezu berufstypisch für Künstler_innen. Hierzu hat der KSVF bereits in einem anderen Aufgabenbereich eine Praxis entwickelt und kann mit einem dreijährigen Durchrechnungszeitraum operieren. Diese Option sollte unbedingt auch im Covid-19-Fonds im KSVF möglich werden, wenn es darum geht eine Bemessungsgrundlage für eine einkommensabhängige Unterstützung zu ermitteln. Ein Abstellen auf den Vergleichszeitraum im Vorjahr oder auf die letzten vorangegangenen Monate können weitere Optionen sein, aber immer bloß Optionen, da grundsätzlich nicht von regelmäßigen Einkünften und allgemein gültigen repräsentativen Vergleichszeiträumen ausgegangen werden kann.
Einnahmenausfälle abfedern
Künstler_innen sind mit einer Reihe von Absagen ihrer Projekte und Aufträge konfrontiert. Nicht immer, aber zum Teil lassen sich die damit einhergehenden Einnahmenausfälle gut dokumentieren. Der KSVF hat in den Tagen vor dem Start des Covid-19-Fonds (im Rahmen der Tätigkeit für den seit 2015 bestehenden Unterstützungsfonds) ein unbürokratisches Prozedere für den seit 2015 bestehenden Unterstützungsfonds im KSVF entwickelt, um ebendiese Einnahmenausfälle auszugleichen. Über ein Formular waren die wichtigsten Daten zu den Absagen (Betrag, Veranstalter_in/ Auftraggeber_in, Kontaktadresse, Datum der Absage, etc.) anzugeben, zusätzlich schriftliche Belege über die Vereinbarungen und Absagen waren als Beilage nicht erforderlich. Auch dieser Ansatz, konkrete Einnahmenausfälle zu ersetzen, ist ein sehr praktikabler Zugang – für die Anfangsphase. Denn je länger die Maßnahmen gegen die Pandemie anhalten und die sonst üblichen Möglichkeiten zum Netzwerken und Lukrieren von nächsten Aufträgen und Projekten fehlen, umso weniger konkrete Absagen werden mit fortschreitender Zeit noch benennbar sein.
Auch Bezieher*innenkreis für den Covid-19-Fonds im KSVF ausweiten
Da die hier beschriebenen Auswirkungen der Covid-19-Maßnahmen gleichermaßen auch viele Akteur*innen in kunstnahen Berufen und den kulturellen Bereich insgesamt treffen, treten wir für eine weitere Ausdehnung der Anspruchsberechtigten ein.
Budget für den Covid-19-Fonds bedarfsorientiert aufstocken
Wir plädieren außerdem für eine bedarfsorientierte Aufstockung der finanziellen Mittel für den Covid-19-Fonds im KSVF sobald dies erforderlich wird. Auch der personelle Aufwand im KSVF zur zügigen Bearbeitung der Anträge an den Covid-19-Fonds ist zusätzlich finanziell abzudecken und soll nicht aus den KSVF-Mitteln finanziert werden, die für die anderen Aufgabenbereiche des KSVF (allen voran die Zuschüsse zu Sozialversicherungsbeiträgen von Künstler_innen) zur Verfügung stehen.
Unsichere Perspektiven
Wir müssen davon ausgehen, dass der Kunst- und Kulturbereich nicht nur einer der ersten war, den es hart getroffen hat, sondern den es wohl auch besonders lange treffen wird bis wir alle wieder in eine lebendige Kunst- und Kulturszene im öffentlichen Geschehen eintauchen werden können. Verschärfend kommt hinzu, dass gerade der Frühsommer üblicherweise eine sehr veranstaltungsintensive Zeit ist – nicht nur in der bildenden Kunst, wo zusätzlich zum durchgehenden Kunstbetrieb auch zahlreiche Festivals, Projekte im öffentlichen Raum etc. stattfinden. Jetzt wäre die Phase der Vorbereitungsarbeiten. Ab Juli folgt üblicherweise eine Sommerpause. Mit dem Wegfall dieser Hochsaison im Frühsommer fehlen nicht nur wichtige Einnahmequellen (wegen konkreter Absagen, wertvoller Verkaufsmöglichkeiten etc.), sondern es fehlen auch die Begegnungen für Kontaktanbahnungen, aus denen Folgeprojekte und -aufträge hervorgehen.
Wir plädieren für ein Unterstützungssystem, das so flexibel und vielfältig wie nur möglich ist und den Erwerbsrealitäten von Künstler_innen gerecht wird. Der Covid-19-Fonds im KSVF mit dem wichtigen Auftrag zur „Abfederung von Einnahmenausfällen anlässlich des Ausbruchs von COVID-19“ bildet hierfür eine gute Ausgangslage.
(IG Bildende Kunst, 3.4.2020)
■ Neustart des Covid-19-Fonds für Kunst- und Kulturschaffende notwendig (IG Autorinnen Autoren, 2.4.2029)
■ Härtefall-Fonds (WKO): Prekärste von Unterstützung ausgeschlossen (Kulturrat Österreich, 27.3.2020) [Update, 3.4.2020: Eine Ausweitung des Bezieher_innenkreises steht mittlerweile fest!]