Am 30. September 2021 richtete sich das Kunst- und Kulturministerium (BMKÖS) mit dem internationalen Symposium „Was bedeutet Fairness in Kunst und Kultur?“ an alle in Österreich in Kunst und Kultur Tätigen. Das Symposium sollte einen ersten öffentlichen Beitrag zu dem im November 2020 gestarteten Fairness-Prozess leisten. Als Arbeitsgruppe “pay the artist now” haben wir zu fünft vor Ort im Wiener Konzerthaus teilgenommen. Wir, das sind Sheri Avraham, Vasilena Gankovska und Daniela Koweindl von der IG Bildende Kunst sowie Petra Poelzl und ich (Michael Strasser) von der Tiroler Künstler:innenschaft.
Kritik im Vorfeld: „Fair Pay, wo bist du geblieben?“
Bereits im Vorfeld gab es heftige Diskussionen, da die geplanten Inhalte bis eine Woche vor der Veranstaltung nicht veröffentlicht waren und letztendlich das Thema Fair Pay als Programmpunkt nicht dezidiert vorkam. Nach einem internationalen Programm am Vormittag war die „österreichische Perspektive“ angesetzt, die mit geplanten Impulsreferaten zur Genossenschaft Smart Coop Austria und zum Künstler:innen-Sozialversicherungfonds (KSVF) irritierte. Beide Einrichtungen bestehen seit Jahren, sind weder Fairness-Perspektiven noch waren sie Arbeitsthemen im Fairness-Prozess. Auch wurde für die von Expert:innen in Österreich besetzte Abschlussrunde verabsäumt, Vertreter:innen aus allen Kultursparten einzuladen. Nach zunächst kritischen Rückfragen sowie einem Appell und Vorschlägen zur Programmänderung adressierten mehrere IGs gemeinsam ihre Kritik am Programm schließlich öffentlich ans BMKÖS: „Fair Pay, wo bist du geblieben?“. Inhaltlich folgten keine Änderungen am Programm, doch die im Vorfeld veranschlagte Zeit für die abschließende Podiumsdiskussion (u.a. mit Vertreter:innen aus IGs) mit Publikumsbeteiligung schrumpfte in den letzten Tagen vor dem Symposium etappenweise von 2 Stunden auf schließlich nur noch 75 Minuten.
Immer und überall: fair pay & pay the artist now!
Ausgestattet mit Stofftaschen, blauen Schildmützen und Arbeiter:innenjacken von denen unser Leitspruch “pay the artist now” in großen weißen Lettern prangte, konnten wir auch auf visueller Ebene eine unserer zentralen Forderungen kommunizieren. Infokärtchen mit einem QR-Code zum Leitfaden und Honorarspiegel für faire Bezahlung in der bildenden Kunst zogen wir den ganzen Tag über aus unseren Taschen, um sie unter den Teilnehmer:innen zu verbreiten. Als weiteres wichtiges Statement – nicht laut Programm, aber aus dem Publikum – präsentierten und verteilten Vertreter:innen der IG Kultur Österreich ihr kurz zuvor veröffentlichtes Fair Pay Manifest mit der zentralen Losung: “Nur eine faire Förderpraxis führt zu einer fairer Bezahlung.” Zeitgerecht zum Symposium erschien auch der vom Kulturrat herausgegebene, 200 Seiten starke Fair Pay Reader, der sowohl eine breite Sammlung von Informationen zu den verschiedenen Sparten und Tätigkeiten in Kunst, Kultur und freien Medien, als auch Tools zur Berechnung fairer Bezahlung enthält. Am Symposium waren die ersten 100 druckfrischen Exemplare schnell vergriffen.
Fair Pay als Förderkriterium ab sofort etabliert!?
Nachdem sich unsere Verwunderung über das offensichtlich unausgereifte Covid-19 Sicherheitskonzept gelegt hatte, begann das Symposium mit einleitenden Worten von Kunst- und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer. Sie versicherte, dass Fair Pay das zentrale Thema der Veranstaltung ist und als berücksichtigungswürdiges Kriterium für Förderanträge auf Bundesebene nun bereits implementiert sei. Diese Information war bis zu diesem Zeitpunkt weder an die Szene noch an die im Fairness-Prozess involvierten Interessenvertretungen kommuniziert worden, und ist auch bis heute nicht in den Richtlinien des Bundes für die Gewährung von Förderungen gemäß § 2a Kunstfördergesetz oder in den Förderleitlinien für Beirät:innen nachzulesen.
Wir starteten also in den ersten Teil des Tages. In einer sehr engen Taktung wurden sieben kurze Impulsvorträge präsentiert. Aufgrund der sehr knapp bemessen Zeit und dem zu dichten Programm war es nicht möglich, nach jedem Vortrag Fragen zu stellen oder in einen kurzen Austausch zu gehen. Erwähnen möchte ich an dieser Stelle zwei Vorträge. Zum einen das Impulsreferat von Marijke Hoogenboom, Direktorin des Departements Darstellende Künste und Film an der Zürcher Hochschule der Künste. Sie gab ein Einblicke in und Ausblicke auf die Entwicklung verschiedener Maßnahmen und Lebenssituation von Kulturarbeiter:innen in den Niederlanden über einen Zeitraum von zehn Jahren von 2015 bis 2025. Unter anderem den fair practice code und Themen wie fair share, fair chain und Nachhaltigkeit. Zum anderen die Ausführungen von Lena Essling vom Moderna Museet in Stockholm, die direkt aus der Praxis und im Detail berichtete, wie sich fair pay im Ausstellungsbetrieb in Schweden entwickelt hat und heute im MU Agreement umgesetzt wird.
Die verkürzte Mittagspause konnten wir neben einer kleinen Stärkung nutzen und unsere mitgebrachten Informationsblätter zur fairen Bezahlung in der bildenden Kunst, Infokarten und „pay the artist now“-Sticker zu verteilen. Gemeinsam mit Kolleg:innen der IG Kultur produzierten wir auch Fotos, um unsere Anliegen über das Symposium hinaus promoten zu können.
Der zweite Teil fokussierte zunächst auf die „österreichische Perspektive“: die geplante/n Vertrauensstelle/n gegen Machtmissbrauch in Kunst, Kultur & Sport und zwei etablierte Praxisbeispiele; den Künstler:innen-Sozialversicherungsfonds (KSVF) und die Genossenschaft Smart Coop Austria.
70 Minuten Podium und 70% Fair Pay in Salzburg
Das anschließende Podium, das ursprünglich als zentraler Baustein des ganzen Symposiums gedacht war, um den Status quo in Österreich zu diskutieren, war mit Eva‐Maria Bauer (Vize‐Präsidentin, Österreichischer Musikrat), Gabriele Ecker (Bereichsleitung Kunst, Land Niederösterreich), Daniela Koweindl (Kulturpolitische Sprecherin, IG Bildende Kunst), Ulrike Kuner (Geschäftsführung, IG Freie Theaterarbeit), Winfried Nussbaummüller (Leitung Kulturabteilung, Land Vorarlberg), Ivana Pilić (Kuratorin D/Arts), Igor Pucker (Leitung Abteilung Kunst und Kultur, Land Kärnten) und Thomas Randisek (Geschäftsführer, Dachverband Salzburger Kulturstätten) besetzt. Da das Thema Fairness in Kunst und Kultur ein sehr vielfältiges ist, erschwerte die bereits erwähnte drastische Zeitkürzung auf rund 70 Minuten letztendlich die sehr interessante Diskussion und Auseinandersetzung. Angesichts einer gelungen straffen Moderation von Asma Aiad und einem diszipliniertem achtköpfigem Podium waren dennoch drei knappe Fragerunden am Podium und ein paar kurze Wortmeldungen und Fragen aus dem Publikum möglich.
Zum Einstieg gewährten die Kolleg:innen in kurzen Statements Einblick in aktuelle Entwicklungen und die bestehenden Herausforderungen. Als positives Beispiel aus Salzburg berichtete Thomas Randisek, dass es in einem relativ kompakten Zeitraum gelungen ist, den Bedarf für faire Bezahlung im Kulturbereich zu erheben und eine Umsetzungsstrategie zu entwickeln. Noch dieses Jahr soll in einem ersten Schritt ein Niveau von 70% Fair Pay für Kulturarbeiter:innen in Salzburg erreicht werden und darüber hinaus das Modell als “copy paste” frei zugänglich sein. Ivana Pilić kritisierte vor allem die Tatsache, dass Diversität nach wie vor als Randthema gehandelt wird: “Wer spricht für wen, wer arbeitet in den diversen Gremien und Arbeitsgruppen an den Verbesserungen? Hier sprechen ganz viele Menschen auf allen Eben nicht mit.”
Fazit aus dem BMKÖS: Wir bleiben dran!
Mit einem Fazit und Ausblick beschließt Brigitte Winkler-Komar den Vortragsreigen aus Sicht der Sektion Kunst und Kultur des BMKÖS. Nach spontanen abschließenden Worten von Staatssekretärin Andrea Mayer kommt der intensive Tag zu einem Ende: „Wir bleiben an diesem Prozess dran. Ich danke allen für die wertvollen Beiträge das ganze Jahr über und insbesondere heute. Bis wir dann in fünf Jahren – das war heute die Vision – alles umgesetzt haben. (…) Bleiben sie an Bord, bleiben Sie uns gewogen. Zusammen sind wir stark.“
Fazit der AG „pay the artist now“
Mit gemischten Gefühlen verlassen wir das Wiener Konzerthaus. Die vielen Eindrücke des Tages vermischen sich mit Aufbruchstimmung und Frustration gleichzeitig. Diese strukturellen Veränderungen sind und bleiben ein langwieriger Prozess.
Aber wir bleiben stark, und wir bleiben dran!