Ja, wir sind gegen Zensur!

Offener Brief und Fragen an die Wiener Gemeinderätin Beate Meinl-Reisinger und NEOS-Klubvorsitzende

[Updates siehe unten.]

Sehr geehrte Frau Gemeinderätin Mag.a Beate Meinl-Reisinger, M.E.S.!

Mit Irritation nehmen wir Ihre unhinterfragten Zensur-Vorwürfe gegen die IG Bildende Kunst in Ihrem Statement bei der 19. Wiener Gemeinderatssitzung vom 26.1.2017 zur Kenntnis. Die IG Bildende Kunst betreibt keine Zensur und hat noch nie Zensur betrieben, unterstützt oder sich dafür ausgesprochen. Als Grundlage Ihrer Kritik nennen Sie ein Online-Magazin, dessen Vorwürfe Sie ohne Faktencheck übernehmen und somit Unwahrheiten verbreiten. Auch die beiden Verantwortlichen dieses Online-Magazin verbreiten wider besseren Wissens seit geraumer Zeit die immer gleichen Falschbehauptungen.

Mit der Reproduktion dieser Falschbehauptungen setzen Sie eine Instrumentalisierung der Künstlerin Ines Doujak bzw. des Zensur-Skandals rund um ihre Arbeit fort. Sie tragen damit zur Diffamierung ausgewählter Künstler_innen bei.

Wir ersuchen Sie dringend um die Beantwortung folgender Fragen:

Sie behaupten, im Zusammenhang mit Ihrer ablehnenden Entscheidung über unseren Förderantrag, die IG Bildende Kunst hätte gesagt, dass die Arbeit von Ines Doujak für die Ausstellung „La Bestia y el soberano” im MACBA (Barcelona) „völlig zu Recht zensiert wurde, weil das nämlich kolonialistisch wäre.“

■ Wo und wann hat die IG Bildende Kunst dies behauptet?
■ Wo und wann hat die IG Bildende Kunst „diese Zensur […] geradezu verteidigt“?
Wir ersuchen um eine Quellenangabe.

Ausgangspunkt der unhinterfragten Behauptungen ist ein künstlerischer Beitrag – bestehend aus einem Bild- und Textteil – vom Künstlerinnenkollektiv Verena Melgarejo-Weinand und Marissa Lôbo, der im Sommer 2015 in Heft 36 des Bildpunkt – Zeitschrift der IG Bildende Kunst erschienen ist.

Klarstellung der Bildpunkt-Redaktion vom Oktober 2016:  

Auf facebook wirft der Künstler Lukas Pusch der IG Bildende Kunst Beteiligung an Zensur vor. Dieser Vorwurf soll mit dem Verweis auf einen Artikel des Künstlers vom Herbst 2015 untermauert werden („Die Lulus von der Künstlergewerkschaft“). Der Vorwurf ist absurd und wird hiermit entschieden zurückgewiesen. Da Puschs Artikel an Verdrehungen und Unterstellungen nicht spart, hier eine kurze Klarstellung:

Es geht um einen künstlerischen Beitrag in Heft 36 des Bildpunkt – Zeitschrift der IG Bildende Kunst. Die als Mittelposter gestaltete künstlerische Arbeit von Verena Melgarejo-Weinand und Marissa Lôbo bezieht sich auf eine Arbeit der Künstlerin Ines Doujak („Not Dressed for Conquering“) und kritisiert diese. Doujaks Arbeit hatte zuvor für Aufsehen gesorgt, weil wegen ihr eine Ausstellung im Museu d’Art Contemporani de Barcelona (MACBA) („Die Bestie und der Souverän“) abgesagt, also auch zensiert wurde. Die Ausstellung fand nach Protesten schließlich doch statt.

Pusch behauptet, die „staatlich alimentierte Künstlergewerkschaft [die IG Bildende Kunst] unterstützte die Zensur der Arbeit Not Dressed for Conquering und veröffentlichte in ihrem Zentralorgan Bildpunkt einen Hetzartikel gegen Ines Doujak.“

Beide in diesem Satz aufgestellten Behauptungen sind falsch. Erstens: Die IG Bildende Kunst hat die Zensur gegen Ines Doujak in keinster Weise unterstützt. Zweitens: Es gab nie einen „Hetzartikel“ gegen Ines Doujak. Der Bildpunkt. Zeitschrift der IG Bildende Kunst ist eine Publikation mit relativer Autonomie. Sie gibt nicht die Ansichten des Vorstands der IG Bildende Kunst oder der IG Bildende Kunst als ganzer wieder. Darüber hinaus geben, wie bei jeder anderen Zeitschrift auch, die textlichen und künstlerischen Beiträge im Bildpunkt nicht zwingend die inhaltlichen Ansichten und/oder ästhetischen Vorstellungen der Redaktion wieder.
Zu jeder Ausgabe werden nicht nur AutorInnen, sondern auch KünstlerInnen zu Beiträgen eingeladen [Diese Bildbeiträge werden, wie auch im vorliegenden Fall, eigens und unabhängig, also nicht in direkter Absprache mit der Redaktion gestaltet, Anm. 8.2.2017]. Das Mittelposter gestalteten in diesem Fall die oben genannten Künstlerinnen. Es handelt sich also nicht, wie Pusch behauptet, um „Gewerkschafterinnen der IG Bildende Kunst“, die auf dem Bild zu sehen sind. Die künstlerische Arbeit von Melgarejo-Weinand und Lôbo besteht aus einem Bild- und einem Textteil. In diese einzugreifen, wäre aus Sicht der Redaktion Zensur gewesen. 

Für Ihre Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Als Interessenvertretung bildender Künstler_innen ist es unser zentrales Anliegen, die Rechte von bildenden Künstler_innen zu wahren.

Wir halten ein persönliches Gespräch mit Ihnen für unabdingbar und bieten hierfür Montag, 20.2.2017 Nachmittag (zwischen 14 und 18 Uhr) in der IG Bildende Kunst an. Sollte der Termin für Sie nicht möglich sein, ersuchen wir um einen alternativen Vorschlag per Mail an vorstand(at)igbildendekunst.at.

Mit freundlichen Grüßen,
Eva Dertschei, Vasilena Gankovska, Alexander Jöchl, Paula Pfoser, Elke Smodics
(Vorstand der IG Bildende Kunst)


Update, 9.2.2017: Gemeinderätin Meinl-Reisinger wird der Einladung zum Gespräch am 8.3.2017 folgen.

Update, 4.4.2017: Am 8.3.2017 hat ein Treffen mit Gemeinderätin Beate Meinl-Reisinger (NEOs) in der IG Bildende Kunst stattgefunden. Nach einer nochmaligen Erläuterung des Sachverhalts haben wir GR Meinl-Reisinger aufgefordert, den ungerechtfertigten Vorwurf der Zensur in einer schriftlichen öffentlichen Klarstellung zurückzunehmen. Mit dieser Falschbehauptung hat die Gemeinderätin schließlich Kreditschädigung gem. § 1330 AGBG (Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch) betrieben. Am Ende des Gesprächs kündigte GR Meinl-Reisinger an, das Protokoll der Gemeinderatssitzung mit ihrer eigenen Aussage nachzulesen und ggf. anwaltlichen Rat einzuholen.
Am 14.3.2017 nimmt GR Meinl-Reisinger die Falschbehauptung zurück. Sie bedauert und teilt öffentlich mit, dass die von ihr in der Wiener Gemeinderatssitzung am 26.1.2017 behauptete Zensur durch die IG Bildende Kunst unrichtig ist: „(…) Das stimmt nicht und ich möchte auch hiermit mein Bedauern und meine Entschuldigung für diese Formulierung zum Ausdruck bringen. In keiner Weise haben die Zeitschrift Bildpunkt oder die IG Bildende Kunst explizit die Zensur begrüßt bzw. verteidigt. (…)“