Eröffnung der Kooperationsausstellung mit AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich
Anca Bucur (RO), Veronika Dirnhofer (A)
Eröffnung: 23. Mai 2023, 19 Uhr
Kuratorische Begleitung: David Komary und Vasilena Gankovska
Seit mehr als 20 Jahren findet die Kooperation zwischen IG Bildende Kunst und AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich statt. In der diesjährigen Ausgabe liegt der thematische Fokus auf Ökologie, Landschaft und das menschliche Verhältnis zur Umwelt. In einer medial vielfältigen Installation zeigen die beiden Künstlerinnen aktuelle Werke, bzw, Projekte zu diesen wichtigen Themenfeldern.
Die diesjährige Kooperationsausstellung Impermanent von IG Bildende Kunst und AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich stellt zwei Künstlerinnen gegenüber, die in ihren Arbeiten kritisch nach dem Topos der Landschaft und der Natur fragen. Jenseits bloßer Kontemplation, die zumeist in auktorialer Selbstüberschätzung der Betrachter:innen und in visuellem Eskapismus mündet, suchen Veronika Dirnhofer und Anca Bucur nach einem tieferen Verständnis, ja einer ontologischen Beziehung zu Landschaft und Natur. Während Dirnhofer die Beziehung von sich zur Welt wesentlich in und mit Bildern, also malerisch-prozesshaft wie auch assoziativ-imaginativ erfragt, konfrontiert Anca Bucur die Betrachter:innen mit einem installativen Gefüge, das einen Denkraum zwischen Sprachlich-Diskursivem und Kinästhetisch-Skulpturalem evoziert. Beiden ästhetischen Praktiken ist dabei zudem gemein, dass sie letztlich kritisch nach politischen und ökonomischen Interessen und Kräften fragen, die Natur, genauer gesagt, Land- und Naturressourcen verwalten, instrumentalisieren oder gar ausbeuten.
Die rumänische Künstlerin Anca Bucur, im April und Mai zu Gast bei der AIR – ARTIST IN RESIDENCE Niederösterreich, setzt sich in ihrer Arbeit mit der Beziehung von Landschaft, Körperlichkeit und Arbeit vor dem Hintergrund sozialer und ökonomischer Verhältnisse auseinander. In Corporeal Red, einem sich über drei Jahre erstreckenden künstlerischen Forschungsprojekt, führt die Künstlerin den/die Betrachter:in an einen Bauxit-Abfallteich in der Nähe des Donaudeltas in Rumänien, der exemplarisch die Routinen der Bauxitgewinnung und den Raubbau der Aluminiumproduktionsindustrie an der Natur aufzeigt. In einer Installation aus einem Videoessay, drei Stoffbahnen und Objekten aus recyceltem Aluminium und Keramik schafft Bucur ein künstlerisches Dispositiv, das weniger eine bloß visuell-dokumentarische, als auch eine wesentlich systemkritische Betrachtung und Analyse der Ausbeutung jener prekären, ja ruinierten Landschaft ermöglicht. Jenseits der Auseinandersetzung mit rein regionalen Bedingungen in Osteuropa lenkt Bucur den Blick auf ein längst transnational operierendes, extraktives kapitalistisches System, das sich der Landschaft und Natur auf neoimperialistische und wirtschaftshierarchische Art und Weise bedient und skrupellos ausbeutet.
Die Malereien und Keramiken der österreichischen Künstlerin Veronika Dirnhofer rekurrieren auf die Idee von Landschaft in mehrfacher Weise. Am wenigsten geht es jedoch um Abbildung oder das Schaffen eines piktoral-kontemplativen Gegenübers. Dirnhofer denkt das Bild vielmehr von innen heraus, prozesshaft aus den Schichten des Bildkörpers, aber auch imaginativ-assoziativ als Geflecht semantischer Aufladungen, die sich dem Zusammenspiel und den Interferenzen heterogener, oft auch collagiert anmutender Bildlagen verdanken. In dieser betont prozesshaften, intuitiven und durchaus nonsprachlichen Evokation landschaftsartiger Texturen und Schichtungen geht es nicht um Subjektivismus, sondern durchaus kritisch um eine veränderte Beziehung zur Natur, zur Welt. Dirnhofer fragt, stets vor dem Hintergrund aktueller politischer und ökonomischer Bedingungen, nach einem nonhierarchischen und nicht-instrumentalisierenden Begriff von Natur, der nicht nur eine tiefere Verbindung zu schaffen sucht, sondern sich wertschätzend, in einer Haltung auf Augenhöhe, wesentlich um ihre Erhaltung sorgt.
Anca Bucur und Veronika Dirnhofer dekonstruieren in Impermanent die essentialistische Idee von Natur, aus sich zu existieren und sich mehr oder weniger stets selbst zu regenerieren. Jenseits einer kontemplativen Idee von Landschaft, die Gefahr läuft, über das Medium des (distanzierenden) Blicks auch Verfügbarkeit zu suggerieren, suchen die Künstlerinnen nach einem reziproken wie auch relationalen Verständnis der Beziehung zur Natur. In einem künstlerischen Sinn zeigt sich in Impermanent bei beiden Positionen zudem ein „unbeständiges“ (impermanentes) Moment in Form einer gewissen ästhetischen Offenheit und Polysemie, die jedoch nicht der bloßen Imagination oder gar dem visuellen Plaisir zuspielt, sondern eine aktive und kritische Lektüre der Betrachter:innen herausfordert.
Text David Komary
www.ancabucur.net
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