Endlich ist es soweit! Die weltweite Debatte um Atomkraft ist wieder in vollem Gange. Uran, das strahlende Element, scheint für manche immer noch heilbringend zu sein. Zumindest, wenn es, im AKW zu Plutonium verwandelt, für den Bau weiterer Atombomben bereitsteht. Dass die Menschheit bereits zigfach vernichtet werden kann, spielt hierbei eine untergeordnete Rolle. Doch während sich vorwiegend autokratische Regime weiter in den vermeintlichen Atomenergieträumen verlieren, brennt die Erde. Der Klimawandel ist längst keine ferne Prophezeiung mehr, sondern eine Klimakatastrophe in Aktion. Die Uhr tickt, wir riskieren das kostbarste Gut, das wir besitzen: unsere Zukunft.
Aktivisti, die sich dem Irrsinn in den Weg kleben, werden kriminalisiert, mit Kanonen auf Spatzen schießen ist angesagt. Als wolle dieser Staat berechtigte Kritik im Keim ersticken. Dabei könnte es wirklich die Letzte Generation sein, die den moralischen Anstand einfordert, nicht weiter auf Kosten der folgenden Generationen und derer zu leben, die zufällig auf anderen Kontinenten den Startknopf für das Abenteuer Leben drücken.
Als wäre das nicht genug, spielen sich an den Außengrenzen des kulturell vielfältigen, sozialen, friedliebenden, demokratischen, in allem also glorreichen Europa entsetzliche Tragödien ab. Während wir über die Aushöhlung des Asylrechtes diskutieren, kämpfen Tausende von in Seenot geratenen Menschen gegen das Ertrinken an, während sie ihrem Drama entfliehen: das kann ein vertrocknetes Land sein oder eines, mit dem das glorreiche Europa koloniale Beziehungen pflegt oder faschistische Machthaber toleriert, Hauptsache das Öl fließt. Auf der tödlichen Fluchtroute Mittelmeer sind seit 2014 mehr als 26.000 Geflüchtete ertrunken, die Dunkelziffer so groß wie der CO2 Fußabdruck der Einwohnenden der Bundesrepublik Deutschland. Und auch hier: Kriminalisierung der Seenotrettung in unvorstellbarem Maß. Menschen vor dem Ertrinken retten, wie es das internationale Seerecht vorschreibt, wird dann schon mal mit 30 Jahren Haft bedroht, wie im Fall der Iuventa-Crew.
Wir errichten Mauern um Europa, als könnten wir uns so vor den Auswirkungen des Klimawandels abschotten. Als ob die Waren, die wir so gerne importieren, wichtiger wären als die Menschen, die auf der Flucht sind, nicht wenige von ihnen inzwischen vor der Klimakatastrophe.
Klimagerechtigkeit? Ein schönes Schlagwort, das in die politischen Arena geworfen wird, aber in der Realität nur leere Versprechungen enthält. Dabei sollten wir uns fragen: Was ist unser Beitrag zur Klimagerechtigkeit? Es wird Zeit, dass wir unsere Prioritäten überdenken. Anstatt Mauern zu errichten, sollten wir Brücken bauen und unsere Verantwortung gegenüber den Menschen, die unter den Auswirkungen des Klimawandels leiden, wahrnehmen. Klimagerechtigkeit ist kein Luxus, den wir uns leisten können oder nicht. Sie ist eine moralische Verpflichtung gegenüber der gesamten Menschheit und den kommenden Generationen. Es ist an der Zeit, dass wir nicht nur über Waren, sondern vor allem über Menschen sprechen. Denn letztendlich sind es die Menschen, die das eigentliche Herz einer Gesellschaft bilden. Was sind Eure Ausreden, Euch der Realität zu stellen?
Kerstin Rudek ist Widerstandswissenschaftlerin, lebt im Wendland, studiert Politikwissenschaft an der Leuphana Universität und interessiert sich für soziale Medien und Kommunikation.