Künstlerische Positionen: Wachstumsprobleme

Drei künstlerische Positionen begleiten jede Ausgabe des Bildpunkt und sind als eigenständige Kommentare und Reflexionen zum jeweiligen Thema des Heftes zu verstehen.

Mit den Transformationen und Krisen zeitgenössischer Gesellschaften im Zeitalter des Anthropozäns beschäftigt sich die Künstlerin Katrin Hornek seit vielen Jahren. In installativen Arbeiten, Videos oder mittels kuratorischer Projekte argumentiert sie für ein komplexeres Verständnis der Verflechtungen von Natur und Kultur – zuletzt etwa auf der Riga-Biennale (2020), in der Ausstellung Hysterical Mining (2019) in der Kunst halle Karlsplatz und – noch bis 2021 – im interdisziplinären WWTF-Forschungsprojekt The Anthropocene Surge. Auf dem Mittelposter des Bildpunkt lädt Hornek nun zur Medidation on indexing growth (test run). Die Arbeit entstand innerhalb des künstlerischen Forschungslabors Exposure to a community to come (Februar 2020, Workshop TQW) und wurde spezifisch für die papierene Materialität des Bildpunkt adaptiert. Mit großem Dank an Alix Eynaudi, Jack Hauser, Sabina Holzer, Sara Lanner, Elisabeth Schäfer, Jeroen Peeters, Brigitte Wilfing und das Tanzquartier Wien. Grafische Gestaltung: Katarina Schildgen und Paul Gasser.

Auf dem Backcover ist Tree Scheme zu sehen, eine Lithografie von Mark Dion von 2009, für die er – für seine grafischen Arbeiten typisch – roten und blauen Farbstift verwendet hat. Ein Farbschema wie aus der Buchhaltung, blau für die Gewinne und rot für die Verluste. In Tree Scheme sehen wir ein Klassifikationssystem in Abwandlung des „Baum des Wissens“ des französischen Philosophen Diderot, mit dem Dion, wie auf dem Stamm zu lesen ist, die „Representation of nature“ ergründet – also eine Klassifikation unserer Klassifikation der natürlichen Welt. Mark Dion, 1961 in den USA geboren, befasst sich seit Mitte der 1980er Jahre intensiv mit der Geschichte unseres Umgangs mit der Natur und untersucht speziell die ideologische Aufgeladenheit von Natur-Repräsentationen in den Wissenschaften – vor allem mittels Dioramen und Installationen. Einzelausstellungen zuletzt in der Whitechapel Gallery, London (2018) und im Naturhistorischen Museum Wien (2018), Ausstellungsbeteiligungen u.a. bei der documenta 13 (2012). In Wien arbeitet er derzeit an einem Vivarium für das Foyer des Biologiezentrums St. Marx. Rückseite: Tree Scheme, two color litograph 16 5/8″ × 13 1/4″, edition 60. Image courtesy of the artist and USF Graphicstudio © 2009 Photo: Will Lytch

Die Bildstrecke wurde von Studierenden des 2017 neu eingerichteten, englischsprachigen Bachelorstudiums Cross Disciplinary Strategies. Applied Studies in Art, Science, Philosophy and Global Challenges (CDS) an der Universität für Angewandte Kunst in Wien gestaltet. Im vergangenen Wintersemester haben sie sich mit Konzeptionen von Wachstum und Arbeit auseinandersetzt. Entstanden sind die Arbeiten im Rahmen der Lehrveranstaltung Graphic design, radical democracy or/and the commons. Das von Carlos Toledo abgehaltene Seminar beschäftigte sich einerseits mit der Geschichte der politischen Zeichnung, andererseits mit Bauspekulation in Wien und undokumentiertem Arbeiten am Bau. Um den Mehrwert zu konterkarieren, der durch Architektur und Design in der Stadt erschaffen wird, wurde die Kritzelei zum Mittel der Wahl erkoren – das spontane „Gespenst” am Zettel, im Kalender oder auf der Serviette des Cafés: eine flüchtige, kritische Botschaft zum Wachstum.