Das Mittelposter der russischen Künstlerin Alisa Yoffe mit dem Titel Suicide, eine 2014 entstandene Arbeit, beschäftigt sich mit der von ihr geschätzten, gleichnamigen Punk-Band. Das Bild ist Teil einer ganzen Serie über Punk-Bands, für die Yoffe mit dem billigsten Papier und den simpelsten Acrylfarben arbeitete. 1987 geboren, studierte die Künstlerin am ICA Moskau und stellte bisher u.a. im Moscow Museum of Modern Art und im jüdischen Museum Wien aus. Alisa Yoffes Arbeit ignoriert nach dem Stil von Punk-Darstellungen Farben und Effekte, ihre Ästhetik ist in rauem Schwarz-Weiß gehalten und kombiniert menschenhafte Monster mit Textpassagen auf metergroßen Papierblättern oder Leinwänden. Durch die Größe gleichen die Bilder Graffiti und treten aber zugleich, wie die Künstlerin schreibt, durch ihre Materialität in Opposition zur Wandmalerei – in einer Zeit, wo Graffiti kommerzialisiert werden, da sie „von den städtischen Autoritäten sehr gefragt sind“.
Jimmy Zurek aka DefJim, ist bildender Künstler und Frontman der gleichnamigen Hip-Hop-Punk Band. In Solidarität mit allen Frauen im Showbusiness hat er sich für ein Foto ausgezogen, das der Bildpunkt dieses Mal auf seinem Backcover zeigt: Ein Nacktfoto als feministisches Statement. Die Band DefJim macht seit 2012 in Eigendefinition „Fake Detroit Hip Hop Punk“, einen Mix aus No Wave mit Punk Rock, Hip-Hop, Techno, RnB und Jazz. Die Band aus Wien mit britischen Wurzeln kombiniert treibende Gitarren, die Stimme eines feministischen Punk-Preachers und echte Drums mit technoiden oder Hip Hop Beats und wirft damit ihre Hörer*innen in den Partyrausch, um sie gleichzeitig mit politischen Inhalten zu konfrontieren. Jimmy Zureks Lyrics handeln von sozialen Ungerechtigkeiten und Diskriminierungen – von Faschismus, Rechtsradikalismus, Rassismus, Sexismus, Klassismus, Chauvinismus, Homophobie: Westlicher Zeitgeist, verhandelt auf schonungslose und humorvolle Weise. DefJims Debütalbum A White Shark Called Blues erschien 2015 bei No Risk No Disk. [Foto: Elsa Okazaki; Fotobearbeitung: Jimmy Zurek]
Der in Istanbul lebende Künstler Erinç Seymen bespielt diesmal die Bildstrecke des Hefts. In seinen Arbeiten setzt er sich mit (Anti)Militarismus, mit Herrschaftsverhältnissen, Gender und Queerness auseinander. Sein künstlerisches Schaffen transportiert eine subtile Anti-Haltung, die sich in eine Tradition der Punk-Ästhetik einschreibt. Er leiht sich Bilder aus den türkisch-militärisch verwalteten Regionen und den mit diesem Land verwobenen kulturellen Gedächtnissen und gibt sie als eine Re/Dekonstruktion der offiziell-verlegten türkischen Geschichtsschreibung zurück. The Portrait of Pasha verweist etwa, mit der Doppeldeutigkeit von Titel und Bild, auf die Kämpfe um die Einordnung der Post-Putschzeit der 1980er Jahre in der Türkei: Der Titel erinnert an den Putschisten Kenan Evren (Pascha), auf dem Bild aber sieht man eine Zielscheibe in Form eines Portraits des Sängers Zeki Müren, ebenso als Pascha benannt, der für seine extravaganten und als queer interpretierten Performances bekannt ist. Erinç Seymen wird durch die Istanbuler Galerie Rampa vertreten.