Drei künstlerische Positionen begleiten jede Ausgabe des Bildpunkt und sind als eigenständige Kommentare und Reflexionen zum jeweiligen Thema des Heftes zu verstehen.
I Will Die For This And I Expect The Same From You, so lautet der Titel der Arbeit von Georg Oberlechner, die wir auf dem Mittelposter sehen. Die darin enthaltene drastische wie skrupellose Aufforderung stammt aus einem geleakten Email des Start-Up Investors Oliver Samwer, der große Anteile am Essenslieferservice Foodora hält. In Wien liegt die Zentrale dieses Unternehmen nahe der Wiener Bar Elektro Gönner, wo der Wiener Künstler eine überdimensionale Wasserwaage installierte – scheinbar ausbalanciert, aber dennoch schief, weil er sie parallel zum Boden des vor dem Schaufenster leicht bergab laufenden Durchhauses ausrichtete, das täglich von dutzenden Foodora-Fahrradbot*innen frequentiert wird. Dem Vorzeigeunternehmen der „Gig-Economy“ ist es wichtig, dass ihre Arbeiter*innen sich als Teil der Marke verstehen, während sie selbst unter extrem unsicheren Arbeitsverhältnissen tätig sein müssen. Georg Oberlechner arbeitet als Künstler und persönlicher Assistent in Wien. In seinen recherchebasierten Arbeiten beschäftigen ihn derzeit besonders die unmöglichen Potentiale künstlerischer Praxis innerhalb einer zunehmend autoritär agierenden Gesellschaft.
Auf dem Backcover ist eine Bleistiftzeichnung von Imayna Cáceres abgebildet, die einen Ausschnitt ihrer Installation Condor, Puma, Serpiente (2018) zeigt. Die Arbeit ist eine Würdigung der und Annäherung an die Frauen ihrer Familie, die die Künstlerin, Kuratorin und Aktivistin mit peruanischer Herkunft, die seit mittlerweile 10 Jahren in Wien lebt, als Fundament ihrer eigenen sowie der kollektiven Geschichte begreift. Ihre Methode des Zeichnens, die sie beim Porträtieren ihrer Großmutter und ihrer Mutter gewählt hat, beschreibt Drei künstlerische Positionen begleiten jede Ausgabe des Bildpunkt und sind als eigenständige Kommentare und Reflexionen zum jeweiligen Thema des Heftes zu verstehen. Caceres sorgfältiges Verknüpfen und Verweben von Bleistiftstrichen, um, wie sie sagt, „die Wege nachzuzeichnen, die zu mir führen, die Schichten und Gewebe, die mich ausmachen, die Wurzeln, die mir Halt geben.“ Zeichnen stellt für sie eine Form der Annäherung, ein Werkzeug des Erinnerns dar – in Anbetracht einer Abwesenheit von Fotos oder Dokumenten, die von ihrer Vergangenheit erzählen könnten.
„Die Dritte Welt war kein Ort. Sie war ein Projekt“, heißt es in Vijay Prashads The Darker Nations (2007). Mit „Dritte Welt“ war also auch eine utopische Allianz des Globalen Südens gemeint, deren Ziel es war, die Weltordnung durcheinanderzuwürfeln und die euro-amerikanische Dominanz zu beenden. Um das Scheitern dieser Idee geht es in Naeem Mohaiemens Drei-Kanal-Film Two Meetings and a Funeral (88 mins, 2017), der auf der documenta 14 seine Premiere hatte und dessen Stills nun in der Bildstrecke des Bildpunkt zu sehen sind. Der Film führt durch die transnationale Architektur eines Niemeyer, Moretti oder Le Corbusier in verschiedenen Städten und zeigt Ausschnitte aus Gesprächen zwischen Vijay Prashad, Samia Zennadi, Atef Berredjem, Amirul Islam und Zonayed Saki. Inhaltlich steht der verhängnisvolle Zeitraum 1973 und 1974 im Zentrum, in dem, so die These, die Idee der Dekolonisierung in der Dritten Welt erodierte und sich ein unvollständiges Verständnis von Sozialismus durchsetzte.