Im Rahmen meiner akademischen Tätigkeit habe ich die Möglichkeit, mein anhaltendes Interesse an künstlerischer Arbeit und der Politik ihrer „Außergewöhnlichkeit“ über einen Masterstudiengang „Kulturindustrie“ zu verfolgen, der das Genre der „Kultur- und Kreativindustrien“ als Management-Ausbildung sowohl verkörpert als auch auf den Kopf stellt. Konkret konzentriert sich der Studiengang auf die Kluft zwischen der Widerstandsfähigkeit von Ideologien der Kreativität in der Wirtschaft und der tatsächlichen Prekarität der Arbeitsbedingungen.
In diesem Zusammenhang könnten wir speziell an jene „Kulturindustrien“ wie zeitgenössische Kunst, Mode, Musik, Design und digitales Unternehmertum denken. In den Lehrveranstaltungen verbringen wir viel Zeit damit, die Divergenzen zwischen der Erfolgsideologie und dem empirischen Scheitern zu erörtern und zu zeigen, dass ein Teil des systemischen Charakters dieses Scheiterns nicht nur in der Erosion sozialer Institutionen wie dem Wohlfahrtsstaat oder in den globalen Trends der Finanzialisierung, der Unterentwicklung, der Lohnarbitrage und der Extraktionsindustrien von der Enteignung von Grund und Boden bis zum Sammeln von Daten besteht.
Hinzu kommt, und das ist gewissermaßen von grundlegender Bedeutung, die psychische Ausbeutung oder die Individualisierung der Verantwortung, für wirtschaftliches Versagen als persönliches Versagen, als Unfähigkeit, das eigene menschliche und soziale Kapital ausreichend zu nutzen oder zu mobilisieren: die (scheinbare) Unmöglichkeit kollektiven Handelns in einer Industrie, die von persönlichem Branding angetrieben wird. Das bedeutet, und es ist wichtig, dies so zu formulieren, dass das kreative Subjekt das am meisten verrohte aller kapitalistischen Subjekte ist, da nicht nur wettbewerbsorientiertes und verlogenes Verhalten als Beschäftigungsfähigkeit eingeschärft wird, sondern auch das Recht des Subjekts, ein solches Verhalten an den Tag zu legen, mit Begriffen gerechtfertigt wird, die prinzipiell über die Wirtschaft und die Überlebensmotive hinausgehen: Kreativität, Inspiration, Magie. Die Kreativindustrien sollten daher als ebenso ungefilterte Spielwiesen der kapitalistischen Theologie betrachtet werden wie die Finanzindustrien.
Es bleibt jedenfalls festzuhalten, dass sowohl das Ambiente der „Kulturindustrien“ als auch das Schicksal der Finanzindustrie als Überschwang des Marktes verstanden werden können, der durch die Depression der sozialen Reproduktion als Strukturprinzip dieser Ökonomie angeheizt wird und diese zugleich leugnet. Zwischen diesen beiden besteht nicht nur ein Unterschied, sondern auch eine Abhängigkeit, ein Zustand, der mit Begriffen wie „Finanzialisierung der sozialen Reproduktion“ als Schlüsselaspekt neoliberalen Regierens umschrieben wurde. Dies ist ein Punkt, der durch die „große Divergenz“ zwischen einem glorreichen Markt und einer kranken und zerbrechlichen Gesellschaft, die wir im letzten Jahr und darüber hinaus beobachten konnten, in beeindruckender Weise bestätigt wird.
Die Märkte werden durch die quantitative Lockerung auf Hochtouren gehalten, auch wenn die Geschäfte aufgrund von Covid-Beschränkungen und des neuerlichen Selbstbewusstseins der Arbeiter*innen ins Stocken geraten. Dies bestätigt in größerem Umfang die seit der globalen Finanzkrise beobachtete Entkopplung zwischen der spekulativen Kunst- und Finanzwirtschaft und der „realen“ Wirtschaft. Der Unterschied besteht nun allerdings darin, dass auch die Kunstmärkte nicht gerade boomen und die astronomischen Finanzerträge eher durch die digitalen Annäherungen an diese Ökonomie recycelt werden.
Was wir also beobachten können ist, wie der Wert, der aus produktiven und reproduktiven Aktivitäten gewonnen wird, in die Operationen der Finanzmärkte aufgesaugt wird. Sie vermehren dann diesen Wert durch Transaktionen, die vollständig in den Handel mit Finanzinstrumenten integriert sind, oft vollständig automatisiert und auf Mikromargen von Zeit, des Risikos und der Bewertungsschwankungen beruhen, und die auf einer ebenfalls vollständig endogenen Marktstimmung beruhen, einer Stimmung, die eher geschmeichelt und begeistert ist als besorgt über den sozialen und ökologischen Zusammenbruch.
Das ist so lange der Fall, wie ein günstiges legislatives und technisches Klima für die Regulierung bzw. Deregulierung der Finanzmärkte herrscht, das die neoliberale Gouvernance bis zu den immer wackligeren autoritären Formen aufrechterhält, die sie derzeit vielerorts angenommen hat. Das Finanzwesen hat sich einfach zu einem Zustand entwickelt, in dem es von den katastrophalen Folgen sozialer und ökologischer Tendenzen, die es zum Teil institutionalisiert, belohnt und von denen es lange Zeit profitiert hat, funktionell isoliert ist. Dies führt zu einem seit langem schwelenden Widerspruch in Räumen, in denen die finanzielle Akkumulation eine wichtige, wenn nicht sogar die vorherrschende Quelle der Unterstützung für die Künste ist. Denn die offensichtliche Politik, die durch künstlerische Diskurse und Praktiken zum Ausdruck gebracht wird, lehnt die sozialen Voraussetzungen und Auswirkungen dieser Akkumulation ab, insbesondere die Herstellung von Prekarität und sozialer Unterdrückung. Dies spiegelt sich auch in der Transversalität, die die Arbeitspolitik in Kunstfeldinstitutionen anzunehmen beginnt, von den reproduktiven Infrastruktur-Arbeiter*innen bis zu den reproduktiven Arbeiter*innen des „geistigen Eigentums“ der Programmierung, wie Kurator*innen und Ausstellungsmacher*innen, ganz zu schweigen von den „content providern“ selbst.
Und es ist klar, dass, abgesehen von allen Botschaften und Basteleien rund um Desinvestitionen und grüne Finanzen, die sich verschlechternden Versicherungsaussichten für die Kohlenwasserstoffförderung usw., die einzigen Mechanismen, die diese funktionale Isolierung zwischen dem Finanzwesen und der Institution der Kunst als einem der am stärksten kapitalisierten Momente der Reflexion über die soziale Reproduktion, angehen können, politische Mechanismen sind.
Um auf das Milieu der „Kultur- und Kreativwirtschaft“ zurückzukommen und damit abzuschließen: In diesem Licht betrachtet, fördern die Begriffe des Humankapitals, die den Diskurs über die Kultur- und Kreativwirtschaft durchdringen, sowohl die Allmacht der „Kreativen“ als Genies, die sich selbst besitzen, als auch ihre Integration mit dem Kapital als Natur. In dieser merkwürdigen Konvergenz-Divergenz sehen wir eine Nachahmung der oben skizzierten größeren Tendenz: die Integration der sozialen Reproduktion mit der Finanzindustrie, selbst wenn die Finanzindustrie auf ihrem eigenen Weg voranschreitet, vollgepumpt mit ihrem eigenen nihilistischen Energiedrink der Wohlstandsschöpfung ex nihilo. Eine ausführliche Analyse müsste diese doppelte Bewegung in Bezug auf verschiedene Momente im Kreislauf der Verwertung analysieren, aber das müsste an anderer Stelle geschehen.
Vorläufig ist der reflexive Schimmer eines politisch radikalisierten Raums der Kunst notwendigerweise Teil der großen Divergenz, bis er lernen kann, transversal mit Kämpfen in der Infrastruktur zu operieren. Letztlich würde dies vielleicht die infrastrukturelle Vision implizieren, die die Kunst, wie sie derzeit praktiziert wird, unmöglich machen würde, weil sowohl der Kapitalismus als auch die Autonomie, die er der Kunst gewährt, in dem schwarzen Loch verschwunden wären, das durch die „große Divergenz“ entstanden ist.
Aus dem Englischen übersetzt von Jens Kastner.
Marina Vishmidt arbeitet zur Verknüpfung von Kunst, Wert und Arbeit am Goldsmith College der University of London.