Im Zuge der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/09 und als Protest gegen die Krisenpolitik kann in den letzten Jahren ein verstärkter Aufschwung rechtspopulistischer Bewegungen und Parteien sowohl in Europa als auch in den USA konstatiert werden. Zwar wurde schon Ende der 1990er aufgezeigt, dass der Erfolg rechter und rechtspopulistischer Parteien verstärkt als Folge sozio-ökonomischen Wandels und gesellschaftlicher Umbrüche auf Mikro- (etwa in der Arbeitswelt) wie auch auf Makroebene (etwa die Globalisierung) zu verstehen ist, aus dem ein gesellschaftliches „Bedürfnis nach rechtspopulistischer Programmatik“ (Pelinka) erwachse. Der Ausbruch der Krise und die sich dabei auftuenden multidimensionalen, sozioökonomischen Problemlagen haben allerdings deren Aufschwung noch einmal intensiviert. Die zwei großen politischen Schocks der letzten Jahre – das BREXIT-Votum und die Wahl Trumps können demzufolge als verspätete Reaktion auf die Krise und Krisenpolitik verstanden werden. Die Erfolge rechtspopulistischer politischer AkteurInnen lassen sich dabei neben Wahlerfolgen auch in der proaktiven Rolle, die diese in der Themensetzung in politischen Diskursen spielen, ablesen. Nicht zuletzt durch die offensive Problematisierung der Migrationsbewegungen nach Europa seit 2015 ist es zentralen rechtspopulistischen AkteurInnen gelungen in einer emotional aufgeladenen Stimmung ein dichotomes Narrativ eines „Wir“ gegen „Die (Anderen)“ zu entwickeln, wie Ruth Wodak detailreich aufgezeigt hat.
Generell können in der Analyse der Ursachen des Aufschwungs von rechtspopulistischen Parteien und Bewegungen Erklärungsansätze unterschieden werden, die entweder stärker deren kulturelle oder deren polit-ökonomische Ursachen betonen. Im Bereich der kulturellen Erklärungsansätze wurde in einer Reihe von Studien in den letzten Jahren gezeigt, dass rechtspopulistische (wie auch rechtskonservative) Parteien und Bewegungen in vielen Fällen in Zeiten höherer subjektiv empfundener Unsicherheit, sowie gesellschaftlicher Modernisierungskrisen größere Erfolge erreichen oder höheren Zulauf erleben und somit erhöhte Angst und Unsicherheit als zentrale Wegbereiter eines rechtspopulistischen Aufschwungs ausgemacht werden können. Dieser Logik folgend tragen starke soziale Sicherungssysteme dazu bei, Erfolgspotentiale rechtspopulistischer Parteien zu dämpfen. Dabei kann gezeigt werden, dass insbesondere von der Mittelschicht, welche mit Erosionstendenzen ihres sozialen Status konfrontiert ist, diese Abstiegsangst auf Gruppen projiziert wird, denen die Zugehörigkeit zu einem auf unterschiedliche Weise definierten „Wir“ abgesprochen wird. Arlie Hochschild hat in einer langjährigen ethnographischen Studie unter Tea-Party-AnhängerInnen eindrucksvoll gezeigt, dass insbesondere unter weißen, männlichen Angehörigen der Mittelschicht ein Narrativ – eine „deep story“ – vorherrscht, wonach ihr durch harte Arbeit erworbener Status durch protegierte soziale Aufsteiger anderer Ethnien gefährdet sei. Dadurch würden sie immer mehr von sozialen Leistungen des Wohlfahrtsstaates abhängig, somit in ihrer menschlichen Würde verletzt und schließlich in ihrer Selbstbeschreibung zu „Fremden im eigenen Land“. Dieses Argument einer „cultural backlash thesis“ kann in ähnlicher Weise unter Schlagworten wie Angst vor „Überfremdung“, „Umvolkung“, „dem großen Bevölkerungsaustausch“ oder der Parole „Wir sind das Volk“ auch für kontinentaleuropäische rechtspopulistische Bewegungen bzw. ProtagonistInnen der „neuen Rechten“ gezeigt werden.
Aus polit-ökonomischer Perspektive wurde der Aufschwung rechtspopulistischer Parteien in den letzten Jahrzehnten, auch steigende ökonomische Ungleichheit und Tendenzen zur Deindustrialisierung als maßgebliche Wegbereiter für deren Erfolge in Europa und den USA ausgemacht. Der Anstieg ökonomischer Ungleichheit, der vor allem nach der Publikation von Thomas Pikettys umfangreicher Studie zur Entwicklung der Einkommens- und Vermögensverteilung in westlichen Industriestaaten im 20. und 21. Jahrhundert verstärkt Eingang in politische Debatten fand, habe insbesondere sozial vulnerable soziale Gruppen empfänglicher für nationalistische, xenophobe und gegen bestehende Eliten gerichtete Politiken gemacht. Daneben wurden aus polit-ökonomischer Perspektive auf Mikro- wie auch auf Makroebene Wandlungsprozesse ausgemacht, die den Aufstieg rechtspopulistischer Parteien und Bewegungen begünstigt haben und im Zuge der Krise noch einmal verstärkt zu Tage getreten sind.
Der Ausbruch der Krise diente somit auf zweifache Weise als Katalysator für rechtspopulistische Parteien. Der Aufstieg des Rechtspopulismus ist unmittelbar an ökonomische Machtverhältnisse gekoppelt, die über Jahrzehnte hinweg mit Verweis auf ökonomische Sachzwanglogiken zu einer Erosion sozialstaatlicher Sicherungssysteme geführt haben. RechtspopulistInnen waren zudem erfolgreich, ein national geprägtes Narrativ eines „wir“ gegen „die“ als Erklärung für die zunehmende sozioökonomische Ungleichheit zu etablieren und damit deren politökonomische Ursachen zu überdecken. Der Erhalt und Ausbau von sozialen Sicherungssystemen um ökonomische und soziale Risiken abzufedern ist daher für den Widerstand gegen rechte Politiken ebenso von Bedeutung wie das aktive Entwickeln und Vorantreiben einer inklusiven Narration, die positive Identitätsangebote für die VerliererInnen kapitalistischer Verwertungslogiken schafft.
Stephan Pühringer ist Ökonom und Sozialwirt, forscht im Bereich der Politischen Ökonomie, zum Neoliberalismus und der diskursiven Wirkmächtigkeit ökonomischen Denkens und lebt in Linz.