Die KARAWANE

Flüchtlingsfrauenbewegung

Seit Jahren kämpfen Flüchtlinge in Deutschland gegen ihre Entrechtung hier und für bessere Lebensbedingungen in ihren Herkunftsländern. Um sich gegen die rassistischen und staatlich organisierten Angriffe auf ihr Leben zu verteidigen, haben sie sich in den 1990er Jahren vermehrt gegen den Zwang, in Isolationslagern zu leben, gegen Abschiebungen oder die rassistische Propaganda zusammengeschlossen und zur Wehr gesetzt. 1998 haben sich unterschiedliche Gemeinschaften vereint und eine Karawane für die Rechte der Flüchtlinge und MigrantInnen durch 40 Städte und Orte organisiert, um vor der Bundestagswahl Orte des Verbrechens, Isolationslager, Abschiebeknäste, Ausländerbehörden, Polizeistationen und Flughäfen, von denen Abschiebungen durch Fluggesellschaften wie die Lufthansa organisiert wurden, sichtbar zu machen. Aufgrund der erfahrenen Solidarität entstanden anschließend in unterschiedlichen Städten Deutschlands Büros oder Zentren, in denen sich Flüchtlinge, MigrantInnen und hier geborene Menschen treffen und den Kampf für die Rechte für Flüchtlinge und MigrantInnen von unten kollektiv organisieren. Im Zentrum stand immer die Selbstermächtigung von Flüchtlingen in diesen Kämpfen.

Männer und Frauen, junge und alte Menschen, Menschen aus allen Kontinenten haben gemeinsam gegen rassistische Polizeibrutalität, Abschiebung und Erniedrigung gekämpft. Frauen aus den unterschiedlichsten afrikanischen, asiatischen oder lateinamerikanischen Ländern waren aufgrund ihrer politischen Erfahrungen aus ihren Ländern und ihrer Ausdrucksfähigkeiten und Entschlossenheit treibende Kraft der Flüchtlingsbewegung. Es wurde aber festgestellt, dass die durch die Herrschaftsstrukturen aufgezwungene Spaltung der Geschlechter und die Unterdrückung der Frauen dazu führten, dass Flüchtlings- Frauen sich schwerer beteiligen können. Die Hindernisse sind gesellschaftlich anerzogene Rollen, die die Frauen an Herd und Kind und somit an Isolationslager binden und ihre Bewegungsfreiheit und Engagement stärker als bei Männern einschränken. Zudem sind sie sexuellen Übergriffen und Ausgrenzung oder patriarchaler Dominanz oder Verhaltensstrukturen ausgesetzt. Während des Break Isolation Flüchtlingscamps 2012 beschäftigten sich Frauen innerhalb des Netzwerks der Karawane mit der Stärkung der Selbstermächtigung der Frauen innerhalb des Netzwerks und der Schaffung einer Plattform, in der sich Frauen besser austauschen, unterstützen und stärken können.

Nach dem Break Isolation Flüchtlingscamp 2012 fanden bei den bundesweiten Treffen der Karawane, die in Abständen von etwa drei Monaten stattfinden, reine Frauentreffen statt. Bei diesen planten und organisierten sie die Flüchtlingsfrauenkonferenz 2013 in Hamburg.

An dieser Konferenz haben im April über 130 Flüchtlingsfrauen aus Afghanistan, Ägypten, Algerien, Äthiopien, Brasilien, Deutschland, Elfenbeinküste, Frankreich, Gambia, Guinea, Indien, Iran, Kamerun, Kenia, Kongo, Kosovo, Kurdistan, Mali, Mazedonien, Mexiko, Nigeria, Pakistan, Russland, Serbien, Sudan, Syrien, Togo, Türkei und Uganda teilgenommen. Mit Impulsreferaten zu den Themen: „Warum diese Flüchtlingsfrauenkonferenz zum jetzi- gen Zeitpunkt?“, „Was sind Fluchtgründe von Frauen?“ und einer persönlichen Geschichte einer jungen Frau aus Dagestan, die ihren Kampf um Aufenthalt und selbständiges Leben in Deutschland schilderte, wurde die Konferenz eröffnet.

Anschließend ergriffen mehrere Flüchtlingsfrauen das Mikrophon und erzählten ihre Geschichte, ihre Fluchtgründe sowie die Zustände in ihren Heimatländern und in den Lagern und Heimen in Deutschland. Sie benannten die Trennung von ihrer Familie innerhalb Deutschlands, die menschenunwürdigen Unterbringungen in Heimen, Lagern und Dörfern, die mangelnde Versorgung mit Deutschkursen, das Fehlen der Arbeitserlaubnis, die Residenzpflicht sowie den täglichen Kampf, mit wenig Geld bzw. mit Gutscheinen ein Leben bestreiten zu müssen. Hinzu kommen der alltägliche Rassismus und die (sexuelle) Gewalt. Frauenspezifische Fluchtgründe wie die Genitalverstümmelung, (sexuelle) Gewalt in den Herkunftsländern sowie politische Aktivität und drohende Gefängnisstrafen waren Gegenstand der Redebeiträge. Eine von Abschiebung bedrohte Freundin erfuhr starke Solidarität und hat durch die Flüchtlingsfrauenkonferenz wieder Kraft gefunden, ihren persönlichen Kampf für ein Recht auf Asyl aufzunehmen. Die Teilnehmerinnen der Konferenz haben beschlossen, unter dem Namen Karawane Flüchtlingsfrauenbewegung den gemeinsamen Kampf fortzusetzen. Eine neu gebildete Koordinierungsgruppe bereitet eine Flüchtlingsfrauenkonferenz 2014 vor. Doch zuvor spielten die Frauen innerhalb des Netzwerks eine entscheidende Rolle bei der Vorbereitung und Gestaltung des ersten Flüchtlingstribunals in Deutschland.

Das Netzwerk der Karawane Flüchtlingsfrauenbewegung eröffnete am 13. Juni das Tribunal mit einer Frauendemonstration. Workshops für Frauen und ein Anklageblock von Frauen haben den Willen der Schwestern untermauert, die Position der Frauen innerhalb der Bewegung weiter zu stärken und ihre Selbstermächtigung zu beschleunigen. Die Frauen klagten während des Tribunals in Berlin öffentlich die BRD an, ihre Leben zu zerstören, sie vom öffentlichen und gesellschaftlichen Leben auszuschließen, sie von ihren Familien zu trennen und geschlechterspezifische Fluchtgründe nicht anzuerkennen. Die Anklagen sind im Internet öffentlich zugänglich (www.youtube.com/watch?v=8NTAsCR5fEM) und werden im Anklagebuch des Tribunals schriftlich dokumentiert werden.

Seit dem Tribunal diskutieren die Frauen über mögliche Themen der Flüchtlingsfrauenkonferenz 2014 und darüber, wie sie bis dahin noch mehr Frauen, auch in den entferntesten Isolationslagern, erreichen und sie in die Organisierung einbeziehen können. Es sind auch Seminare für Flüchtlingsfrauen in einzelnen Lagern, in denen Flüchtlingsfrauen aktiv sind geplant, um über die letzte Flüchtlingsfrauenkonferenz zu berichten und gemeinsam über Ziele, Forderungen und den Kampf zu diskutieren. 

 

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Stichwort: Flüchtlingsfrauenkonferenz 2014