Aus allen Wolken fallen – Ein Mini-Epos in vier Strophen Eva Schörkhuber

1) Wem fällt es zu, das gute Leben? / Aus heiteren Himmeln tropfen Milch und Honig in staubige Münder, die über Jahrhunderte und sieben Kontinente hinweg die Mär verbreiteten, gelobtes Land ließe sich erspähen erobern erschließen /
Erzählungen ranken sich um Heldenmut und Tatendrang wie Dornenhecken, hinter denen in meist anmutiger Gestalt der Hauptpreis schlummert, der erspäht erobert erschlossen werden will, / was nicht Jedermanns (und schon gar nicht: Jederfraus) Sache sein kann, bedarf es doch geeigneter Mittel und entsprechenden Vermögens um sich aufzumachen auf den Weg, der nach Eldorado oder ins Schlaraffenland führt, hinein also in dieses gute Leben, das nur dem zufällt, der hat.

2) Wie sieht es aus, dieses gute Leben? / Es fließt lautlos und schmiegt sich wie Kaschmir um die müden Glieder, Trauben perlen von den Bäumen, Gras wächst über alles, das nicht ansehnlich genug ist und dunkle Erinnerungen weckt. / Vergessen ist süß wie ein Kätzchen, nach dem sich die Hand ausstreckt: komm, miez miez miez, komm zu mir, ich werfe dir das Bällchen aus Garn, mein roter Faden bist du, so arglos verspielt vergnügt vernebelt wie die Wolken, in denen meine Freiheit grenzenlos ist.

3) Wie macht es sich bemerkbar, dieses gute Leben? / Wenn sich der Wolkenpanzer aber lichtet, oh weh, und den Blick freigibt auf das, was erspäht erobert erschlossen wurde von vor Jahrhunderten bis heute, rauschen
Leben vorbei, die in den Augen kratzen und sich auf geneigte Gemüter schlagen. /
Das Leben ist nicht gut von Haus aus zu allen, unter der Kaschmirdecke brodelt es, das Gras wächst sich aus an den Rändern, das Kätzchen ist eingeschnappt, das Garn ist alle, der rote Faden zerrinnt, die Freiheit kondensiert zu Tröpfchen aus Gift. / Nicht ein Mal schlucken hilft, eher abertausendmal geht es ans Gurgeln und Würgen, Eldorardo liegt heut’ auf dem Mars, oder auf einem ganz andren Planeten.

4) Wie kommt man zu ihm, dem guten Leben? / Wer weiterhin auf Erden weilen muss, tut gut daran aus allen Wolken zu fallen. Die Landung ist hart, für manche noch härter, doch auf dem Boden lässt es sich immerhin gehen sprechen handeln /
Auch wenn sich die Hand noch so gerne an das süße Kätzchen erinnert, nach dem sie sich streckte um sich im weichen Fell zu vergessen, es hilft nichts, immer nur nach den süßen Trauben zu greifen. / Ist das gute Leben der Weg, ist er nicht mehr wolkengepanzert und freiheitsgepflastert, er wird breiter an den Rändern, wo eine Hand in die andere greift, nicht mehr Rädchen im Getriebe, sondern Handlungsgemeinschaft, erhobener Häupter eine Welt betrachten, die nicht hinter Dornenhecken schlummert. / Der Weltgeist ist von nun an Wasser auf den Mühlen aller, die teilen die verteilen die umverteilen die dem Eigentum den Rücken kehren, der sich nicht mehr krümmen muss, zumindest nicht mehr zugunsten derer, die erspähen erobern erschließen / Getauscht werden Güter Erfahrungen Erzählungen, die nicht mehr stachelbewehrt offen und frei ihrer Wege gehen. Von Hand zu Hand, von Mund zu Mund keimt der Weg hinein ins gute Leben für alle, Flechtwerk statt Balken gibt es da und gute Gründe zum Leben.


Eva Schörkhuber lebt als Schriftstellerin und Kulturwissenschaftlerin in Wien, https://eva-schoerkhuber.com